Wie das Brezelfest entstanden ist!
Zusammenstellung aus zwei in Sütterlin-Schrift erhaltenen Originalaufzeichnungen des dritten Brezelkönigs von 1900, Johann II. Rump.
„Damit es der Nachwelt erhalten bleiben soll, deshalb diese Aufzeichnungen, weil über die Brezelfeste aus dem vorigen Jahrhundert und über die Entstehung des Brezelfestes in Kirchhellen keine Aufzeichnungen gemacht worden sind, berichte nachstehendes: Ich war im Jahre 1900 Brezelkönig und hatte als Königin die Frau Wilh. Lepper, geb. Otterbeck, genannt Schaulhus, Holzschuhmacher und Wirt am alten Kirchplatz. In dem Hause ist früher Schule gewesen und war also ein Schulhaus. Meine Königin hatte vier Töchter und später auch vier Schwiegersöhne, wovon noch drei leben.
Nach dem Schützenfest 1883 ist das Brezelfest entstanden. Von dem Schützenfest 1883 läßt sich wirklich sagen: Ende gut, alles gut! Am Sonntagabend kommt ein Wirbelsturm, der das Zelt abdeckt und alle Gäste fluchtartig nach Hause treibt! Der verzweifelte Wirt Lepper und die entsetzten Kellner stehen inmitten des Trümmerhaufens und glauben nicht mehr an ein „verdienstvolles“ Ende des Festes.
Montags schießt der Bauer Theodor Gr. Wolters den Vogel ab und bringt mit seiner Königin Frau Agnes May verw. Schulte Löbbert wieder die richtige Schützenfeststimmung. Das 1883er Fest lebt noch heute in der Erinnerung der Bürgerschaft fort. „Glänzend und flott“ sind die Prädikate, die man ihm gegeben hat. Und als am Dienstagmorgen die ehrbaren Schützen in der Wirtschaft Hemming, gen. Peter im Feld, beim Frühschoppen saßen, fühlten sie sich so wenig abgekämpft, daß sie glaubten, wohl noch ein Schützenfest erledigen zu können. Es sollen zirka 8 Mann gewesen sein, die auf die Idee gekommen sind, auch König zu werden.
Einer machte den Vorschlag, einen Stuten an eine Stange zu binden und dann mit Steinen herunterzuwerfen. Wer das letzte Stück herunterwirft, soll „Stutenkönig“ sein. Franz Xanten, Theodor Allekotte, Johann Schumacher mit dem ganzen Anhang setzten die Gedanken sofort in die Tat um. Kleppe lieferte den Stuten, 2 Blechdeckel ersetzten die Musikkapelle und schon ging der Zug zur Vogelstange. Bis man den Stuten an einer 6m hohen Stange festgebunden hatte, hatten sich etwa 50 Werfer eingefunden (Jeder musste 25 Pfennig zahlen, wovon der künftige König seinen Hofstaat versorgen sollte). Es war ein „schlimmes Werfen“, 2% Treffer sollen bestimmt erreicht worden sein!
Anstreichermeister Franz Xanten wurde Stutenkönig! Er verlieh allen Mitkämpfern den „Xanteschen Hausorden“ – einen Brezel, der am Band im Knopfloch getragen wurde. Seitdem tragen alle Teilnehmer an diesem Fest dieses Abzeichen und daraus ist auch der Name „Brezelfest“ zurückzuführen. Als Königin erwählte er sich Frl. Lisette Otterbeck, die vom Waschfass weggeholt wurde und den Zug durchs Dorf mitmachen musste, ebenso etliche Ehrendamen, die man auf dieselbe Weise kurzerhand auswählte. Jetzt hatte man wieder den nötigen Grund zum Feiern und der unterbrochene Frühschoppen wurde im Zelt fortgesetzt bis es wieder früh wurde!
Das war der Anfang des Brezelfestes 1883, ohne welches ein Kirchhellener Schützenfest nicht mehr gedacht werden kann. 1900 waren die Orden schon alle in Brezelform.
Im Laufe der Zeit ist das Fest weiter ausgestaltet. Der Stuten wird eigens für diesen Zweck hergestellt, Hanf und Bindfäden werden gleich mit hineingebacken, damit er haltbarer wird. Mit Steinen darf nicht mehr geworfen werden ‑ man will doch der Jugend kein böses Beispiel geben – man nimmt deshalb Backholz (Erklärung: Holz, das zum Verbrennen im Backofen bestimmt ist und daher in Scheitlänge und verhältnismäßig dünn gespalten wird). Paradeaufstellung und Parademarsch vor dem Stutenkönigspaar und seinem Hofstaat leitet die Nachmittagsveranstaltung ein. Dann kommt die große Kinderbelustigung. Ein besonderer Ausschuss, in dem nur bewährte Kräfte mitarbeiten, bereitet diesen Teil des Festes sorgfältig vor. Es ist im Laufe der Jahrzehnte ein Fest geworden, bei dem die große Kirchhellener Bürgerfamilie zusammen steht, wie kaum an einem anderen Tage.
Präses und Vorstand der Schützengesellschaft waren 1883 nicht sehr erbaut von diesem 3. Festtag; man hatte etwas Neues eingeführt und das „alte Vogelschießen“ sollte doch bleiben wie es immer gewesen war. Beim nächsten Fest -1887 – fand das Brezelfest darum auch nicht statt, aber 1894 war die „neue Richtung“ so stark geworden, dass man vom Vorstand aus keine Schwierigkeiten mehr machte.“