1993 – 1999

Brezelbäcker Hans „Teita“ Weber war für das Brezelfest 1993 zum letzten Mal in „offizieller Funktion“ tätig. Er hatte seinen letzten Abwurfbrezel gebacken und die Nachfolge an Hans Kläsener, Brezelkönig von 1977, übergeben. Beim Umzug durch das Dorf (am Donnerstag vor dem Fest) musste das „gute Stück“ allerdings mit einem Regenschirm vor dem „Einweichen“ geschützt werden.

Das Brezelwerfen nahm scheinbar kein Ende. Von großer Zielgenauigkeit konnte wohl keine Rede sein. Bei den „Ehrenwürfen“ allerdings traf mit voller Breitseite Pastor Heinrich Bischof. Wollte er mit einem Volltreffer am Thron des Brezelkönigs rütteln? Fast 20 Minuten musste das Brezelwerfen für den Privatsender RTL unterbrochen werden. So lange dauerten die Vorbereitungen für eine etwa (nur) zweiminütige Live-Übertragung.

Um die Königswürde bewarben sich neben Anton Lepper auch Bernhard Brauckmann und Hans Schweitzer. Am Ende war es Anton Lepper (ein echter Brezelkanonier), der nach mehreren Lockerungsübungen am Brezel die bessere Mannschaft hatte. Zu seiner glücklichen Königin erwählte er Gertrud II. (Kluger). „Ich freu mich drauf“, gestand Gertrud. „Ich hoffe, sie weiß, was sie da gesagt hat“ meinte eine Nachbarin. Sie wusste es!

Rund 50 000 Schaulustige ließen sich am Nachmittag vom großen Brezelfestumzug anlocken. Ein neuer Rekord wurde aufgestellt: 43 Wagen und viele Fußgruppen nahmen teil. Für große Aufmerksamkeit sorgte die „Straßenbahn Linie 17″ vom „Herrenclub Feldhausen“. Diese Straßenbahnlinie hatte ihren Betrieb zwischen Gladbeck und Kirchhellen schon 1964 eingestellt. Die Parade fand erstmals auf der neuen Festwiese an der Holthausener Straße statt.

Bei der Gründungsversammlung im März 1996 gab es wichtige Veränderungen im Vorstand. In der Geschäftsführung bekam Heiner Weikämper Verstärkung. Gleich drei stellvertretende Geschäftsführer wurden gewählt (Michael Kleine-Wieskamp, Johannes Schlüter und Gregor Stratmann). Neuer Brezelchronist auf dem verwaisten Posten wurde Reinhold Rottmann.

Neuer Schützenkönig wurde für die meisten überraschend der noch amtierende und jetzt „untreu“ werdende Brezeloberst Albert Kleine-Wolters (Albert I.), in Kirchhellen viel besser als „Zappi“ bekannt. Die Presse schrieb dazu „Ein Brezel-Oberst ging gestern fremd“.

Für das Brezelaufnähen am frühen Morgen des Brezelfesttages (früher bei Schulte-Wieschen) stand die Traditionsgaststätte Hackfurth leider nicht mehr zur Verfügung, da auch sie geschlossen wurde. Daher war man in die Bürgerbegegnungsstätte „Hof Jünger“, am Wellbraucksweg, ausgewichen. Während des Tages wurde in zahlreichen Live-Schaltungen vom Lokalsender Radio-Emscher-Lippe (REL) erstmals im Rundfunk über den Verlauf des Festes und insbesondere über den Festumzug umfassend berichtet. Das Brezelfest wurde zum Top-Thema des Tages in der Berichterstattung des Senders.

Aus der Gerüchteküche „Wer wird neuer Brezelkönig?“ blieben am Festtag nur noch zwei altgediente Brezelbrüder als heiße Anwärter über. Hans Schweitzer, Beisitzer im geschäftsführenden Vorstand der Brezelgesellschaft und Heiner Weikämper (der scheinbar „mit dem Brezel lebt und schlafen geht“). Heiner war der glückliche und begeistert gefeierte neue Brezelkönig 1996. Strahlend stellte er Elisabeth Niermann geb. Steinberg als seine Brezelkönigin vor. Die Proklamation des neuen Brezelkönigspaares Heiner I. und Elisabeth II. nahm sein Dienstherr, Oberbürgermeister Ernst Löchelt, vor.

Im Brezelfestjahr 1999 trat Brezeldirektor Manfred Schulz als Brezeldirektor zurück. Brezelkönig Heiner I. stellte dazu fest: „Schade für uns alle, ein großer Verlust“. Neuer Brezeldirektor wurde der bisherige Hauptmann der 4. Kompanie, Bernhard Steinmann. „Diese Aufgabe ist für mich ein Traum, für meine Frau schrecklich und für meine Mutter ein „Alptraum.“ Brezeloberst wurde Ralf Kluger. In der Gründungsversammlung wurde erstmalig die traditionell zu verlesende Entstehungsgeschichte des Kirchhellener Brezelfestes von Egon Dieckmann-Beckedahl und Engelbert Preuthen in plattdeutscher Sprache vorgetragen. Eine gelungene Premiere.

Die zweite öffentliche Versammlung im Ortsteil Hardinghausen, auf dem Bauernhof von Josef Rottmann, Gahlener Straße , fand erstmals in einer „Festscheune“ mit rd. 400 Brezelbrüdern statt. Die Organisatoren der Veranstaltung hatten den Veranstaltungsraum stimmungsvoll hergerichtet. Mittelpunkt der großen Scheune war der „Ferkspott“, der mit heißem Wasser und darin schwimmenden Wacholderflaschen gefüllt war. Major Ulli Voßelmann sah sich zwischenzeitlich veranlasst, die Brezelbrüder zu einem Strafausmarsch antreten zu lassen, um die Gemüter zu „beruhigen“.

Was war beim Brezelfest kurz vor Schluss des Brezelwerfens los? Die beiden Königsanwärter Hans Schweitzer und Peter Dreckmann (Schmutzmann) waren „verschwunden“. Hatten sie Angst vor der eigenen Courage? Das Werfen musste einige Zeit unterbrochen und die Kandidaten gesucht werden. Die Blasmusik spielte unermüdlich. Besorgte Blicke bei den Verantwortlichen. Des Rätsels Lösung: Hans und Peter hatten gemeinsam noch eine Stärkung (feste Nahrung!) eingenommen, um den anschließenden fairen Wettkampf und die folgenden Turbulenzen besser überstehen zu können.

Schließlich war Hans Schweitzer als Hans IV. strahlender Triumphator in einem fairen Wettbewerb. Wie er mit dem Reststück des Brezels im Festzelt die Gesänge „Wir singen Hans 99″ über sich ergehen ließ! Strahlendes Glück zusammen mit seiner Königin Dorothee I. (Brauckmann).