2002 – 2005

2002 fand die Gründungsversammlung erstmals im Brauhaus am Ring statt. Das Gebäude, die frühere Bernd-Schnock-Halle, hatte eine „Ur-Kirchhellener-Investorengruppe“ von der Stadt Bottrop übernommen und zu einer für Kirchhellener Festlichkeiten angemessenen großen Lokalität umgebaut. Eine gelungene Investition.

Im Frühjahr des Jahres gab es die ersten konkreten Kontakte zum Verkehrsverein Speyer, dem Veranstalter des Brezelfestes in der Stadt am Oberrhein. Eine Anfrage aus Speyer wurde aufgegriffen, um zum Besuch unseres Festes einzuladen. Mehrfach wiederholte „zaghafte“ Annäherungsversuche über 25 Jahre hatten zuvor nicht zum Erfolg geführt. Erst durch Aufräumarbeiten beim Verkehrsverein Speyer wurde man auf Grund alter Unterlagen wieder auf ein Brezelfest in Kirchhellen aufmerksam.

Nicht üblich war der Redeplatz für die ans Mikrofon tretenden Brezelbrüder bei der zweiten Brezelversammlung in der Hardinghausener Festscheune. Auf hohen Holzstämmen war eine echte Kirchenkanzel aufgestellt, die Hauptmann Frank „Buddy“ Rottmann aus einer Gaststätte (!) legal „entsorgt“ hatte. An diesem Abend gab es wohl auch das größte „Kirchhellener Haxenessen“ aller Zeiten. „Haxenbrater“ Jürgen Kahnert hatte 550 halben Haxen (!) für die Brezelschwestern und Brezelbrüder vorbereitet. Was gab es denn zur Regulierung nach den Haxen? Natürlich als medizinischen Trank den auf 39 – 42 Grad erhitzten Wacholder.

Im Festmonat September stellte sich Kirchhellen wieder „herausgeputzt“ dar. Neue Girlanden, in grün-weiß und blau-weiß, schmückten das Straßenbild. Beim Brezel holen (am Donnerstag vor den Festtagen) gab es eine große Überraschung. Hauptmann „Frankie“ Tennagels hatte einen Wacholder-Brunnen gebaut. Ca. 1,50m hoch, in Kupfer gearbeitet, „harmlos“ wie ein plätschernder kleiner Hausbrunnen. Der warme Wacholder, lief oben aus einem Überlauf und „Etagenweise“ über mehrere Kupfer-Pflanzenblätter wieder in ein Auffangbecken, wenn nicht zuvor das edle Getränk ohne Glas „aufgeschlürft“ bzw. in Schnapspinnchen abgefüllt wurde. Das Schlürfen machte natürlich viel mehr Freude. Die Schar der Versuchstrinker nahm kein Ende. Einige müssen wohl mehrere Versuche unternommen haben.

Beim Brezelwerfen waren erstmals als besondere Zielobjekte, links und rechts neben dem Brezel, zwei Stuten mit aufgehangen worden. Hierauf sollte auch zunächst geworfen werden. Die Stuten sollen daran erinnern, dass der erste König im Jahre 1883, Anstreichermeister Franz Xanten, der Überlieferung nach ein „Stutenkönig“ war. Überraschend gelang es einem gebürtigen Grafenwälder („Wöller“), Klemens Kreul, Beigeordneter der Stadt Bottrop, den ersten Stuten abzuwerfen.

Beim Beginn des Werfens wurden zwei „heiße“ Königskandidaten gehandelt. Bauer Willi Große-Holtforth vom Schäferweg in Grafenwald und Andreas „Scheule“ Große-Kreul. Erst während des Werfens brachte sich ein dritter Kandidat offiziell ins Gespräch. Es war Hubert Schulte. Als der Zustand des Brezels erkennen ließ, dass sich in der nächsten Zeit etwas Entscheidendes ereignen könnte, kam nach Auslosung der Wurf-Reihenfolge wieder die Truppe von Hubert Schulte zum Zuge. Und es passierte: Der Brezel fiel herunter und Hubert landete oben auf den Schultern der ihn tragenden Offiziere. Seine Königin wurde Lissi I. Gertz. Die Schlagzeile in der Presse am nächsten Tag „Hubert II. tanzte mit Lissi I. in den siebten Himmel“.

Der Große Brezelball ist ein „Selbstläufer“. Hier dirigieren Könige Musikkapellen und Königinnen tanzen dabei auch noch auf Tischen. Letzteres geschehen, als Lissi I. „den Taktstock führte“. Stark beeindruckt von „unserem Brezelfest“ zeigte sich auch der Besuch aus der Brezelstadt Speyer. Ihre Begeisterung war später noch in den verschiedenen Berichten der Speyrer Ortszeitungen nachzulesen: „Speyrer „Spione“ schwer beeindruckt: Im großen Bottroper Ortsteil wird ein ganz besonderes Brezelfest gefeiert“.

Eine Kirchhellener Delegation, angeführt vom Brezelkönig Hubert II., legte bei dem ersten „Gegenbesuch“ im Februar 2003 in Speyer den Grundstein für den größten Auftritt unserer Brezelgesellschaft außerhalb Kirchhellens. 130 Brezelschwestern und Brezelbrüder aus Kirchhellen machten sich im Juli 2003 auf den Weg in die frühere Kaiserstadt. Darunter auch der „Original Kirchhellener Wacholderbrunnen“ auf einem Gerätetrecker. Frankie Tennagels und Ludger „Lupo“ Lepper hatten die 350 km lange Anreise schon zwei Tage früher als die große Kirchhellener Delegation in Angriff genommen.

Für den Speyrer Umzug war ein großer „Kirchhellener Abschnitt“ zusammengestellt worden. Neben einer Fußgruppe der Brezelgesellschaft als größte Gruppe, gab es zehn weitere Kirchhellener Zugnummern. Die musikalische Unterstützung des „Brezelvolkes aus Kirchhellen“ erfolgte durch eine pfälzische Musikkapelle, die zwei Monate vor dem Fest noch nichts von Kirchhellen wusste, geschweige denn das Kirchhellener „Brezelaner-Lied-Nr. 1″ kannte. Die Noten des Brezelliedes hatte der Musikverein Ottersheim mit einem extra komponierten Vorspiel dann in ihr Repertoire aufgenommen.

In der Liveübertragung des Umzuges im Südwest-Fernsehen war deutlich zu sehen, welche Begeisterung die Kirchhellener ausstrahlten. Es gab umfassende Detailinformationen zu Kirchhellen und der Brezelgesellschaft. Unser Auftritt war „Der Zug im Zug“, „Es war ein Erlebnis“, so die Fernsehkommentierung. Nach dem Umzug war der Biergarten auf dem Festplatz eine „Kirchhellener Oase am Oberrhein“. Die nachhaltigen Eindrücke gab besonders zutreffend Brezeldirektor Bernhard Steinmann wieder: „Ich habe vieles schon erlebt, aber so etwas noch nicht“.

Das Jahr 2003, also 120 Jahre nach Gründung der Brezelgesellschaft, hatte in der Geschichte der Brezelgesellschaft ein weiteres unvergessliches Ereignis. Neben dem Besuch des Brezelfestes in Speyer galt es im September (am „Brezeldienstag“) in angemessener Form den neuen „Brezelbruder in Bronze“ der Öffentlichkeit vorzustellen.

Die Idee, einen Brezelbruder „in Lebensgröße“ im Dorfkern Kirchhellens aufzustellen, gab es schon viele Jahre. Die Fahnenoffiziere der Brezelgesellschaft (überwiegend ehem. Brezelkönige und Prinzgemahle) hatten sich 2002 bereit erklärt, das Projekt von der Ideenfindung bis zur Aufstellung und darüber hinaus zu betreuen.

Der hohe finanzielle Aufwand für die Anfertigung einer Bronzefigur konnte durch zahlreiche Spenden der Kirchhellener Mitbürger und mit einer großen finanziellen Unterstützung der Sparkasse Bottrop gedeckt werden. Der Bildhauerin Christine Sültrup (Münster) gelang es, nach dem Modellieren einer Gipsskulptur dem späteren Bronzebruder „Leben einzuhauchen“. Einzige Vorgabe war: „Einen Kittel muss er tragen und ein Tuch um den Hals, er muss ein Wurfholz in der Hand halten und natürlich den Brezel.“

Die Feierlichkeiten an einem Dienstag (Beginn 16.30 Uhr!) waren ein Erfolg. Diese Beteiligung der Kirchhellener Bevölkerung konnte man nicht erwarten. Es war doch kein Brezelfest! Oder? Im Umzug ging es über die Hauptstraße bis zur St. Johannes-Kirche und wieder zurück zum Johann-Breuker-Platz. Es wurde eng, als die Brezelbrüder auf den Johann-Breuker-Platz marschierten. Die Presse schrieb zu den Feierlichkeiten: „Ja ist denn heute schon Brezelfest?! Schätzungen zufolge ließen sich rund 2.000 Kirchhellener das Spektakel der feierlichen Enthüllung auf dem Johann-Breuker-Platz nicht entgehen. Eine stattliche Figur, unser Bronzener Brezelbruder.

Routinemäßig ging es 2005 in die Vorbereitungen für das 26. Brezelfest. Eine besondere Atmosphäre gab es bei der Versammlung im Juni auf dem Hof Rottmann. Eine „Open-Air-Veranstaltung“ mit „Feuer und Licht“. Eine biergartenähnliche Versammlungsstätte im Freien war hergerichtet worden. Aus Edelstahl angefertigte „Brezel-Feuerstellen“ und der im Freien auch beheizbare „Schweinepott“ (für den warmen Wacholder) waren auch aufgestellt. Eine so stimmungsvolle Veranstaltung hatten viele begeisterte Brezelschwestern und Brezelbrüder noch nicht erlebt.

Am Schützenfestmontag traf nahezu zeitgleich mit dem Ende des Vogelschießens die Gruppe der Speyerer Busfahrer ein. Sie konnten nicht mehr miterleben, wie Hubert Hüsken mit einem grandiosen letzten Schuss den Rest des Königsvogels herunter holte.

Der Riesenbrezel machte allen Beteiligten in diesem Jahr Sorgen. „Brezel so hart wie die Knüppel“ lautete die Schlagzeile in der Ortspresse am folgenden Tag. Kein einziges größeres Teil des zähen Backwerkes konnte durch gezielte Würfe „gelöst“ werden. Es bröselte lediglich ein wenig. Die Verantwortlichen an der Abwurfstange mussten daher alle Künste aufbringen, den Brezel „zum Abwurf zu bewegen“. Aber es gelang alles noch im Zeitlimit. Ernsthafte Kandidaten auf den Königstitel waren Jupp Heisterkamp und Ulli Röhling. Wie ein Wunder gelang es Jupp und Co. den nahezu noch unversehrten Brezel „zu Boden zu strecken“. Das Geheimnis, wen er zu seiner neuen Königin nimmt, lüftete Jupp I. selber. Magda I. (Steinmann), aus der Schwarzen Heide, begleitete ihn drei Jahre als Königliche Majestät.

Die Anzahl der Festwagen und Fußgruppen beim Brezelumzug erhöhte sich bereits auf 64 und die Aktivenzahl geschätzt auf etwa 2.000 Personen. Besondere Erwähnung, weil erstmals dabei, soll die Gruppe des Verkehrsvereins Speyer finden. Die Speyerer hatten ihre Requisiten und Handwagen eigens mit Fahrzeugen des THW Speyer nach Kirchhellen transportieren lassen. Ihr Leitthema für den großen Auftritt lautete: „Historisches aus der alten Kaiserstadt Speyer“. Dabei waren u. a. Speyerer Stadtsoldaten der Bürgergarde, Wappenträger, Herolde, Hofdamen, Edelleute und Ritter (mit den Reichs-Kleinodien wie Reichsapfel und Schwert). Ein Bischof (der segnend durch Kirchhellen ging!), Nonnen, Mönche mit kirchlichen Fahnen. Dombaumeister, Steinmetze und Steinknechte, die den Grundstein zum Speyerer Dom auf einem alten Steinmetzewagen transportierten. Hoch zu Pferd, auf zwei Schimmel sitzend, Kaiser Konrad II. und seine Kaiserin Gisela. 4.000 Brezel, das „Speyrer Nationalgebäck“, am Morgen noch in Speyer gebacken, wurden im Umzug mit Kirchhellener Hilfe verteilt. Ein starker Auftritt.