2008 – 2010

2008

„125 Jahre Brezelspaß“, so das Motto für das Brezelfest in 2008. Das Jubiläumsfest der Brezelgesellschaft Kirchhellen 1883 war Anlass, im März 2007 zum ersten Mal in Klausur nach Alstätte im Münsterland zu gehen. Zahlreiche Überlegungen zur Gestaltung des Jubiläumsfestes in 2008 gab es bereits. Der weitestgehende Vorschlag, noch den Mittwoch als weiteren Feiertag „anzuhängen“, fand nach kritischer Abwägung aber keine Zustimmung.

In Zusammenarbeit mit einem Fotogeschäft wurde im Herbst 2007 ein Brezelkalender mit vielen Fotos aus der Geschichte der Gesellschaft herausgebracht. Eine „Brezelbrosche“, ein Anhänger mit dem alten Kirchhellener Wappen und unserem Brezel, wurde entworfen und geprägt. Mit dem (von der Volksbank Kirchhellen gesponserten) Buch „125 Jahre Brezelfest Kirchhellen“ wurde die Geschichte der Gesellschaft fortgeschrieben. Darin konnte erstmalig auch das Foto der 1. Brezelkönigin von 1883, Lisette I. Otterbeck, veröffentlicht werden.

Bei der Gründungsversammlung im Februar 2008 gab es Veränderungen im Vorstand. Nachfolger von Uli Vosselmann, bisheriger Brezelmajor, wurde Christopher Gertz. Theo Dehling schied als Kassierer aus. Für Frank Tennagels wurde Matthias Dierichs neuer Hauptmann der 4. Kompanie. Peter Dreckmann, lange Hauptmann der Brezelpolizei, hatte mit seinem Sohn Markus den Nachfolger in der eigenen Familie.

„Blau und Rot sind unsere Farben“, so der Refrain des neuen Brezelliedes, das zur zweiten Versammlung im Mai auf dem Hof Rottmann an der Gahlener Str. vorgestellt wurde. Scotty „der Eisverkäufer“ hatte sich zur Melodie des WM-Liedes 2006 der Sportfreunde Stiller einen passenden Text einfallen lassen. „Ein echter Ohrwurm“, lobten die rund 500 anwesenden Brezelaner. Dazu kam dann noch der „Brezelwalzer“, ebenfalls von Skotty.

Zwei Wochen vor dem Fest wurde in der Volksbank Kirchhellen eine Ausstellung mit der wohl bisher umfassendsten Dokumentation der 125-jährigen Geschichte des Brezelfestes eröffnet. Die Presse schrieb von einer „Zusammenstellung alter, historischer, lustiger und interessanter Dokumente, Fotos, Collagen, Plakaten und Originalaccessoires“. Die für diese Ausstellung zusammengestellte „Brezel-Lesemappe” enthielt viele interessante Dokumente aus der Brezelgeschichte.

Der Riesenabwurfbrezel war gebacken und mit „125 Jahre Brezelfest 1883 – 2008“ jubiläumsmäßig verziert, drei Tage Schützenfest gefeiert und es war schönstes Brezelwetter am 09. September 2008. Das Brezelkönigspaar 2005, König Jupp I. und Magda I., nahm Abschied. Sie hatten ihre Kleidung an den Stil von vor 125 Jahren angepasst. Drei Fernsehteams waren erschienen. Der WDR berichtete in seiner Nachrichtensendung am Mittag sogar einige Minuten live vom Brezelwerfen.

Eine neue Brezelabwurfstange (mittlerweile schon ein handwerkliches Meisterstück) war extra für das Jubiläumsfest angefertigt worden. Es gab einen fairen Wettkampf der Königskandidaten Christoph Löns (Lönner) und Peter Dreckmann (Schmutzmann). Um 13.40 Uhr war es dann endlich soweit. Das letzte Brezelstück (weniger als die Hälfte) fiel herunter. Stimmung pur beim Einzug des neuen Königs Christoph I., der bei der Proklamation gerne noch zu „seinem“ Brezelvolk länger gesprochen hätte, was aber die Technik verhinderte. Aber er konnte seine neue Brezelkönigin Melanie I. Janinhoff (geborene Surmann) dafür länger in den Arm nehmen. Im REL-Radio kündigte Lönner schon mal für die Zeit seiner Regentschaft an: „Das wird eine feucht-fröhliche Zeit werden.“

67 Wagen und Fußgruppen, fantasievoll und kreativ, dann am Nachmittag beim Großen Brezelumzug. Das Motto, „125 Jahre Brezelspaß“, hatte fast alle Gruppen inspiriert, sich in die Zeit um 1883 zurückzuversetzen. So konnten die Besucher des Umzuges nicht nur einer „Historischen Kartoffelernte“ beiwohnen, auch die „Kirchhellener Waschweiber“ zeigten, wie man vor 125 Jahren an frische Wäsche kam. Farbenfroh, mit bunten Blumen und anderen Naturmaterialien geschmückt, zogen die Wagen hintereinander durchs Dorf.

Die wieder große Gruppe der Speyrer Brezelfreunde, mit ihrer Verkehrsvereinsvorsitzenden Heike Häußler, bediente das feucht-fröhliche Feiervolk stolz mit heimischem Rebensaft. Die Besucherzahl am Straßenrand war so groß, wie nie zuvor. Auch der Abend mit dem Großen Brezelkrönungsball war „Stimmung pur“. Wir können mit Stolz auf dieses Fest zurück blicken.

2010

Es gibt Königspaare die haben Glück und brauchen nicht drei Jahre zu warten, bis das nächste Brezelfest ansteht. 2010 sollte – wie erstmals in 2003 – wieder eine große Delegation nach Speyer aufbrechen. „100 Jahre Brezelfest in Speyer“ stand an. Zugleich wurde die Planung für das Projekt „Erweiterung des Bronzenen Brezelbruders“ in Angriff genommen. Im Vordergrund der Überlegungen stand jetzt eine Bronze-Gruppe „Frau mit Kind“.

Der Förderverein Brezelbruder e. V. hatte die Planungen für die „Brezelfamilie“ weiter betrieben und den finanziellen Rahmen abgestimmt. Die Sparkasse Bottrop machte die endgültige Zusage zur wesentlichen Finanzierung des Projekts. Gleichzeitig wurde die Auflage eines Briefmarken-Sets zur Mitfinanzierung der Erweiterungsgruppe ins Gespräch gebracht. Im März konnten bei Christine Sültrup in Münster bereits die neuen Figuren in Gips besichtigt werden. Nach nur wenigen Korrekturvorschlägen blieb es dann der Bildhauerin überlassen, „Frau und Kind“ zu gestalten. Probeweise wurden die „Rohfiguren“ im Mai vor Ort so platziert, wie sie später auch endgültig aufgestellt werden sollten. Obwohl die Öffentlichkeit über die Presse erst später informiert werden sollte, gab es bereits am 01. Mai die Presseschlagzeile „Brezelbruder kommt unter die Haube“.

Brezelfest in Speyer

„100 Jahre Brezelfest Speyer“ mit der Fahrt vom 10. bis 12. Juli stand aber dann zunächst wieder im Vordergrund aller Planungen. Angemeldet hatten sich rd. 200 Personen für die Fahrt mit Bussen und eigenen PKW`s. 30 weitere Personen dürften sich zusätzlich noch auf den Weg in die Kaiserstadt am Oberrhein gemacht haben.

2003 war es eine Treckerfahrt nach Speyer, die für besondere Aufmerksamkeit sorgte. 2010 sollte das noch mal „getoppt“ werden. Es gelang. Am 2. Juli machten sich die Brezelbrüder Heinrich Bertlich, Theo Dehling und Bernhard Steinmann im Pferdewagen auf den 350 Kilometer langen Weg nach Speyer. Die achtjährige Stute Hannah und ihr vierjähriger Sohn Eddy zogen den Wagen. Über den Rhein ging es mit der Fähre in Walsum-Orsoy. „Mensch und Tier“ wurden überall freundlich aufgenommen. Sie waren im Zeitlimit, mussten aber – nach den ersten starken Anstiegen im Ahrgebiet und der großen Hitze – die für die Pferde einzig richtige Entscheidung treffen. Ein kleiner Transport durch das Bergland wurde organisiert. Behilflich war ihnen Wirt und Viehhändler „Onkel Fritz“, der sie bis Bad Kreuznach kutschierte. In kleinen Etappen, weiterhin großer Hitze, ging es weiter nach Speyer, wo man am Freitag eintraf. Mensch und Tier hatten die Strapazen der Reise gut überstanden. Diese Anreise hatte sich gelohnt.

Am Samstag, 10. Juli, machten sich drei Reisebusse früh morgens auf den Weg nach Speyer. Angeführt vom Brezelkönigspaar Christoph I. Löns und Melanie I. Janinhoff waren auch Oberbürgermeister Bernd Tischler, Brezelprotektor Ernst Löchelt und Bezirksbürgermeisterin Margot Hülskemper mit dabei. Die Hauptquartiere waren wieder das Hotel am Technik Museum und für die „jungen Leute“ wieder der „Boxerclub“.

Zur Mittagszeit in Speyer angekommen, hatten die meisten Kirchhellener nur ein Ziel: Im unteren Domgarten warteten bereits die drei Pferdekutscher. Es gab eine kleine Begrüßung durch den Verkehrsverein Speyer, unserem Brezeldirektor Bernhard Steinmann und unserem Brezelmajor Christopher Gertz. Heinrich Bertlich bedankte sich für den Empfang und für die Hilfe, die ihnen auf der Reise allerorten angeboten wurde. “Es war einfach nur geil“, brachte es „Henry“ auf den Punkt.

Im Festzelt wurde unsere große Kirchhellener Truppe sehr freundlich durch den Oberbürgermeister der Stadt Speyer, Werner Schineller, begrüßt. Die große Hitze (nahe an 40 Grad!) machte den Brezelschwestern und –brüdern schwer zu schaffen. Es gab daher viele Ruhephasen, aber auch eine „angemessene Abkühlung“ in dem einen oder anderen Biergarten. Am Abend war der Biergarten im Domhof für den überwiegenden Teil der Truppe gemeinsamer Treffpunkt. Man kann auch sagen, dass der Biergarten in Kirchhellener Hand war. Die Stimmung war bestens, zumal der Sieg der Deutschen Nationalmannschaft gegen Uruguay angemessen gefeiert wurde. Im Festzelt auf dem Brezelfest-Platz wurde der schöne „Kirchhellener Abend“ in Speyer noch ausgiebig gefeiert. Denn schlafen bei diesen Temperaturen, das musste noch ein wenig zurück gestellt werden.

Am Brezelfestsonntag in Speyer steht traditionell der Brezelumzug im Mittelpunkt. Für unseren „Kirchhellener Abschnitt“ im Umzug gab es folgende Zugordnung:

  • Schildträger: „Brezelgesellschaft Kirchhellen 1883“
  • Brezelpolizei
  • Brezelstandartenoffiziere
  • Brezelfahnenoffiziere
  • Festwagen
  • Waffelbäckerinnen
  • Jung-Kanoniere mit Auto
  • Brezelkönigskutsche
  • Schwenkfahnenoffiziere
  • Musikverein Ottersheim
  • Fußgruppe der Kirchhellener Brezelbrüder und Brezelschwestern
  • Brezelkanoniere

Im Stadtgebiet waren noch unterwegs: „Bär und Bärenleiher“ und „Die Flotten Pfannwender“, die Buchweizenpfannekuchen vor dem Stadthaus backten. Wie bereits 2003 begleitete die Musikkapelle vom Musikverein Ottersheim die Kirchhellener. Und sie spielte auch wieder gekonnt unser Brezelaner-Lied Nr. 1. Die Noten dafür hatten sie sorgsam aufbewahrt.

Als nach langer Wartezeit der Umzug in Bewegung kam, war das schon ein wenig aufregend für alle, die zum ersten Mal dabei waren. Die Stimmung war bestens und das Publikum am Straßenrand war super „drauf“. Gut, dass gekühlte Getränke vorhanden waren, ansonsten hätten sicher einige noch größere Probleme mit der Hitze bekommen. Die von der Feuerwehr Speyer durchgeführte äußere Abkühlung mit Wasserspritzen wahr zudem sehr hilfreich. Wieder imposant der Marsch über die Maximilianstraße, vom Altpörtel zum Dom. Ein Höhepunkt des Umzugs war für die Kirchhellener sicherlich der Vorbeimarsch an den „restlichen Kirchhellenern“, die im Bereich des Domplatzes standen, Buchweizenpfannkuchen backten und uns herzlichst begrüßten. Hier war auch die Tribüne des Verkehrsvereins Speyer aufgebaut, mit dem Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, als Promigast. Der Umzug war ein tolles Erlebnis.

Danach gab es nur noch: Duschen, Sitzen, Ausruhen, Speisen und kühle Getränke. Aber alles mit viel Spaß. Die meisten trafen sich zunächst wieder im Biergarten am Festzelt. Am Abend ging es im Biergarten des Domhofes mit dem WM-Endspiel und dem Sieg Spaniens (gegen Italien) weiter. Der Abschluss – richtig! – war wieder im Festzelt. Für uns schon ein „Heimspiel“. Ein unvergessliches Wochenende in der alten Kaiserstadt am Rhein.

Die Presse in Speyer war voll des Lobes über den Kirchhellener Besuch und Auftritt in Speyer: „Zu heiß, die Hitze hemmt: Schon am frühen Nachmittag wird es leer im Biergarten. Die weit gereiste Brezelgesellschaft aus Kirchhellen dagegen hält lange durch. Singende Polizisten entlang der Hauptstraße. Leicht vom Alkohol verwöhnte Könige. Rundum gut gelaunte Westfalen. Nein, in Speyer ist des Jubiläums wegen nicht das Chaos ausgebrochen, nur die Kirchhellener Brezelgesellschaft ist angekommen. Und dass die feiern kann, das wissen viele Verkehrsvereinsmitglieder nicht erst seit ihren Besuchen im Ruhrgebiet 2005 und 2008.“

Brezelfamilie

Die erfolgreiche Speyer-Fahrt war noch nicht „verarbeitet“, da standen bereits die nächsten Termine an. In der Glockengießerei in Gescher wurden die neuen Figuren der Brezelfamilie in Bronze gegossen. Zusammen mit der Sparkasse wurden das Projekt „Brezelfamilie“ und die Briefmarken-Sets (2000 Geschenksets mit zwei 55 Cent Postwertzeichen und dem offiziellen Logo der Ruhr 2010 – Kulturhauptstadtjahr) „offiziell“ der Presse vorgestellt. Die Presseschlagzeilen nachher: „Die Einsamkeit ist Geschichte“ – „Endlich zu Dritt“ – „Fehlt nur noch die Brezelfrau“

In den Tagen vor der Einweihungsfeier für die Brezelfamilie wurden Frau, Kind und Sandsteinbank neben dem Brezelbruder „Zentimetergenau“ in das aufgenommene Erdreich eingearbeitet bzw. aufgestellt. Kurz war die neue Gruppe nicht verhüllt, erschien auch schon die Presse und berichtete am nächsten Tag. „Familie ist endlich komplett – Tochter und Enkel sind zum Brezel-Opa auf den Johann-Breuker-Platz gezogen – Bis Freitag noch unter der Haube. Familienidyll auf dem Johann-Breuker-Platz“

Freitag, 17. September 2010: Das große Zelt und weitere Beizelte standen, den neuen „Brezelfamilienmitgliedern“ wurde ein Riesenbrezelkittel übergestülpt und das Ganze mit Blumen und Grün sehr schön dekoriert. Die große Frage: Hält das Wetter? Werden viele Brezelbrüder (ähnlich wie 2003 beim Brezelbruder) auf dem Josef-Terwellen-Platz erscheinen? Ja, es waren einige Hundert! Mit musikalischer Begleitung durch die Kirchhellener Blasmusik und den Spielmannszug Holsterhausen ging es los. Das Brezelkönigspaar Christoph I. und Melanie I. hatte wieder mal die Gelegenheit, das Brezelvolk von Kirchhellen aus der Königskutsche zu grüßen.

Der Bereich um die Brezelfamilie war so „proppenvoll“, dass die Kompanien auf der Hauptstr. Aufstellung nehmen mussten und dort die Zeremonie verfolgten. Die Einweihungsfeierlichkeiten wurden mit einer Festfanfare eröffnet. Die Presse: „Die Zeiten, in denen der bronzene Brezelbruder sein ach so einsames Dasein auf dem Johann-Breuker-Platz fristete, sind endgültig vorbei. Um 17.44 Uhr Ortszeit Kirchhellen war es gestern soweit: Die lang erwartete Familienzusammenführung wurde vor den Augen zahlreicher Brezelfreunde stimmungsvoll vollzogen. Seine Tochter und sein Enkelsohn leisten ihm nun Gesellschaft. Die beiden neuen Figuren der Münsteraner Künstlerin Christine Sültrup wurden mit tosendem Beifall im Dorf begrüßt. Die Böllerkanone donnerte zu ihren Ehren. Die Schöpferin der Brezelfamilie zeigte sich nach wie vor beeindruckt von der Kirchhellener Feierkultur. Mit warmen Erinnerungen denke sie an ihre ersten Begegnungen mit der Brezelgesellschaft zurück. Die anwesenden Kinder erhielten zudem die Möglichkeit, sich kostenlos mit einem roten Tuch vor dem neuen Brezeltrio ablichten zu lassen, als Erinnerung an einen historischen Moment.“ Insgesamt war die ganze Aktion gelungen. Kirchhellen hat ein neues und sehr beliebtes Fotomotiv dazu bekommen.